Regionaltangente West: hohe Kosten, hohe Risiken, geringer Nutzen

Je höher die Kosten, desto schneller und breiter die Zustimmung – so scheint es, wenn man sich das Verfahren bei der Vorlage zu TOP 3 betrachtet.

Für das Projekt Regionaltangente West (RTW) werden mittlerweile Gesamtkosten von über 1,8 Mrd.(!) Euro angesetzt, wovon gut 1,2 Mrd. Euro durch Fördermittel finanziert werden sollen. Das sind aber letztlich auch Steuergelder, die an anderen Stellen fehlen.

Die Zahlen zur Nutzen-Kosten-Untersuchung (NKU) reichen von Anfang an eigentlich nicht für eine Förderfähigkeit, auch wenn sie zwischendurch schöngerechnet wurden. Denn dafür müsste der Faktor bei deutlich über 1,0 liegen.  Aus den vorliegenden Veröffentlichungen u.a. auch in den Beteiligungsberichten ergibt sich folgende Entwicklung:

NKU 2003: 1,14

NKU 2011: 1,34

Diese Erhöhung im Jahr 2011 mit der Begründung des Flughafenausbaus und des daraus resultierenden Fahrgastzuwachses ist längst überholt.

NKU 2022 denn auch: 1,08 (!)

Dabei ist zu bedenken, dass die Fahrgastzahlen laut Machbarkeitsstudie von Intraplan aus dem Jahr 2011 zu ca. 70 % aus dem Umstieg von anderen öffentlichen Verkehrsmitteln auf die RTW resultieren.

Falls also z.B. der Bus X17 eingestellt wird und Fahrgäste aus Hofheim und Hattersheim nicht mehr umsteigefrei zum Flughafen fahren können, sondern dann mit der S-Bahn nach Höchst fahren müssten, um dort in die RTW umzusteigen, würde das den NKU-Faktor deutlich verbessern. Dass diese eine Verbesserung für Fahrgäste aus den genannten Kommunen bedeuten würde, wird man allerdings kaum behaupten können!

Den aktuellen NKU-Faktor kennen wir nicht, allerdings sind die Investitionskosten gegenüber 2022 weiter gestiegen und wird sich die Fertigstellung der RTW weiter verzögern, gegenwärtig wird von einer Inbetriebnahme 2029 ausgegangen.

Bei der heute zum Beschluss vorgelegten Budgeterhöhung um 304,9 Mio Euro wird es daher nicht bleiben. Während also die Kosten weiter ins uferlose steigen, hält sich der Nutzen der neuen Schienenverbindung in Grenzen und droht der Schaden für die bestehenden Schienenverbindungen insbesondere aus dem westlichen Main-Taunus-Kreis um so größer zu werden.

Fahrgäste aus Bad Homburg und Oberursel könne mit der RTW umsteigefrei zum Flughafen fahren, wobei die Fahrzeit nur geringfügig um wenige Minuten gegenüber der heutigen Verbindung über den Frankfurter Hauptbahnhof verkürzt ist. Allerdings besteht die neue RTW-Verbindung von Bad Homburg oder Oberursel aus nur alle 30 Minuten. Gleiches gilf für Reisende aus Neu-Isenburg, die nach Bad Homburg wollen.

Im übrigen rechnet die RTW GmbH selbst nicht mit hohen Fahrgastzahlen, wenn sie am 13.10.2021 in ihrem „Betriebskonzept RTW Mitte“ schreibt: „Um die erforderliche Kapazität für Fahrgäste bedarfsgerecht zu gestalten, ist vorgesehen, Züge mit einer maximalen Länge von 100 m zu fahren.“ – Zum Vergleich: S-Bahn-Vollzüge haben eine Länge von 140 m, Langzüge 210 m.

Die über 1,8 Mrd. Euro decken aber nur die Planungs- und Baukosten ab. Zu den Betriebskosten führte der Hessische Verkehrsminister in seinem der Vorlage beigefügten Schreiben vom 20.11.2024 an die RMV GmbH aus: „Zusammenfassend möchte ich festhalten, dass die Betriebskosten für die RTW derzeit noch nicht vorliegen. In der derzeit in Erstellung befindlichen aktualisierten Nutzen-Kosten-Untersuchung werden die Betriebskosteneinschließlich der Auswirkungen des D-Tickets mit derzeitigem Stand ab-gebildet werden. Die Ergebnisse hierzu werden, … die Folgevereinbarung <nach 2027> betreffen, in die die Betriebskosten der RTW dann Eingang finden werden.“

Und er warnt: „Eventuell wäre zu gegebener Zeit gemeinsam mit dem Verkehrsverbund zu überprüfen, ob entsprechend dem dann zur Verfügung stehenden Budget Anpassungen des übrigen Betriebsprogramms im Verbundgebiet erforderlich werden könnten.“

Bereits im September 2011 hatte Intraplan in seiner NKU Einsparungen bei S-Bahn-Taktung und Entfall von Bussen sowie Einsparungen bei Unterhaltskosten von (entfallenden) S-Bahnen und Bussen angesetzt.

Wenn es zutrifft, dass der Regionalverkehr „nur aufgrund der Tatsache, dass 10 % der Züge ausfallen, … auskömmlich <ist>“ (S. 3 d. Vorlage), dann bedeutet das, dass nicht nur die angekündigte und ansatzweise praktizierte Ausweitung des Viertelstundentaktes bei den S-Bahnen und die Bereitstellung von mehr Langzügen hinfällig ist, sondern generell mit dem Entfall des Viertelstundentaktes auf den bestehenden S-Bahn-Linien im MTK zu rechnen ist. Eine drohende Einstellung des X-17-Busses wäre eine weitere Verschlechterung des ÖPNV-Angebotes.

Zwar erklärte der RTW-Geschäftsführer Amann im Beteiligungsausschuss, die 2011 aufgeführten Kürzungen bei den S-Bahnen seien nun nicht mehr vorgesehen. Dennoch sprach er von Entlastungen des Frankfurter Hauptbahnhofes durch die RTW. Eine Erläuterung dazu, wie der Hbf entlastet würde, wenn bei den S-Bahnen nicht gekürzt würde, gab er auf Nachfrage nicht.

Wir Linken haben seit Jahren darauf hingewiesen, dass die immensen Kosten und der geringe Nutzen für vergleichsweise wenige Fahrgäste bei zu erwartenden Angebotsverschlechterungen bei den S-Bahnen im MTK in keinem akzeptablen Verhältnis stehen, und dem Projekt RTW deshalb unsere Zustimmung versagt. Auch wenn jetzt schon Millionen dafür ausgegeben und mit Baustellen begonnen wurde, werden wir unsere Meinung nicht ändern. Der Abschnitt Süd mag fertiggestellt werden, da er ohnehin schon im Bau ist, aber dann sollte Schluss sein.

Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende!

Barbara Grassel