Polar Mohr: LINKE prüft Akteneinsichtsausschuss

In einer Presseinformation zwei Tage vor Heilig Abend verkündete der Magistrat erstmals und voller Stolz: „Große Chance für Hofheims Stadtentwicklung: Polar Mohr verkauft Grundstücke in der Kernstadt – Neues Werk soll an anderer Stelle in der Stadt errichtet werden, um die Arbeitsplätze zu sichern.“

Doch mittlerweile wurde in vertraulich tagenden Zirkeln hinter fest verschlossenen Türen genau das Gegenteil von dem berichtet, was der Magistrat ständig öffentlich herausposaunt. Das geht nicht an: Entweder sind die öffentlichen Erklärungen des Magistrats falsch oder die vom Magistrat als streng vertraulich deklarierten Informationen. Bevor diese Widersprüche nicht öffentlich aufgeklärt sind, sind die beiden Vorlagen des Magistrats NICHT beschlussfähig. Auch nicht in eiligst extra zu diesem Zwecke einberufenen Sondersitzungen.

Wenn die mittlerweile in vertraulichen Zirkeln gegebenen Informationen richtig sind, werden Öffentlichkeit und städtische Gremien bewusst desinformiert. Und zwar von Anfang an. Beispiel: In der oben zitierten Presseinformation vom 22.12.22 schreibt der Magistrat gleich einleitend:

„Sowohl für die Stadtentwicklung als auch für die Sicherung der Arbeitsplätze soll es ein Befreiungsschlag werden: Das Hofheimer Traditionsunternehmen Polar Mohr wird seine Grundstücke an der Hattersheimer Straße an die Projektgesellschaft Horn aus Kelkheim verkaufen. Den Weg hierfür machte der Magistrat der Kreisstadt Hofheim am Taunus gestern frei, indem er in einer Sondersitzung den Beschluss fasste, auf sein Vorkaufsrecht zu verzichten.“

Doch wenn die in vertraulicher Rund gegebenen informationen stimmen, ist beides falsch:

->    Sicherung der Arbeitsplätze: Der neue Geschäftsführer der Polar Cutting GmbH, Raab, seines Zeichens CFO, erklärte in kleiner, vertraulichen Runde frank und frei: Das Geld aus dem Grundstücksverkauf flösse an die Altgesellschafter, also die Familie Mohr. die neue Polar Cutting GmbH habe überhaupt nichts davon.

->   auf Vorkaufsrecht verzichten : Was denn nun? Für die betreffenden Grundstücksflächen bestehen keine Festsetzungen, die ein Vorkaufsrecht ermöglichen.„, beantwortete der Magistrat eine Anfrage der LINKEN. Trat der Magistrat zu einer Sondersitzung 3 Tage vor Heiligabend zusammen, um auf etwas zu verzichten, worauf er gar keinen Anspruch hat?

Offensichtlich war es so, dass der Bürgermeister im Alleingang auf die Ausübung des Vorkaufsrechts verzichtet hat und hinterher den Magistrat lt. Potokoll der Sitzung vom 21.12.2022 hat beschließen lassen: „Es wird davon Kenntnis genommen, dass ein gesetzliches Vorkaufsrecht gemäß § 24 ff. Baugesetzbuch (BauGB) nicht besteht.“

Doch dies ist schlichtweg falsch:

Da es für das Polar-Mohr-Grundstück seit 1997 einen rechtskräftigen Bebauungslan gibt (Nr. 88 „Südlich der Hattersheimer Straße“), der damals extra aufgestellt wurde, um die Trasse der B 519 (neu) zu sichern, sind in diesem B-Plan auch öffentliche Verkehrsflächen ausgewiesen. Und für diese öffentlichen Verkehrsflächen steht der Gemeinde nach § 24 Abs.1 Ziff.1 ein Vorkaufsrecht zu.

Wenn der (damalige) Polar-Mohr-Geschäftsführer Wombacher in dieser eingangs zitierten städtischen Pressemitteilung zitiert wird: „Wir begrüßen, dass wir mit der Projektgesellschaft Horn einen kompetenten Partner gefunden haben, der uns ausreichend Zeit gibt, die begonnene Sanierung voranzutreiben“, dann kann das nur sarkastisch gemeint sein: Wie mittlerweile durchsickerte, muss lt. Kaufvertrag Polar seinen alten Standort in der Hattersheimer Straße in knapp drei Jahren, am 31.12.25, verlassen haben. Als neuer Standort ist eine Ackerfläche in Diedenbergen vorgesehen. Nur: In knapp drei Jahren ist es ausgeschlossen, die dortigen, bisher als landwirtschaftliche Vorrangflächen und Regionaler Grünzug ausgewiesenen Ackerflächen als Gewerbegebiet auszuweisen, sie u.a. mit einem neuen Abwasserkanal nach Flörsheim zu erschließen und dort neue Produktionshallen zu errichten, damit ein kompletter Industriebetrieb umziehen kann. Das bestätigte auch der Bürgermeister. Alternativstandorte, so der Geschäftsführer Raab, wurden noch gar nicht geprüft. Und in Hofheim, so der Planungsdezernent Exner, gebe es ansonsten keine passenden Gewerbegrundstücke.

Auf Drängen des Investors tritt nunmehr das Stadtparlamentg zu einer Sondersitzung zusammen, ohne dass die Möglichkeit bestand, diese Großprojekte vorher in den Ausschüssen diskutiert zu haben. Nur, um den Forderungen des Investors nachzukommen.

Vor einer Beschlussfassung über die Aufstellung neuer Bebauungspläbe muss vor allem geklärt werden:

  • An wen fließen die Millionengewinne, die bei einer Umwidmung von Gewerbe- in Wohnbauflächn entstehen? Fließen sie an die Firma Mohr und können sie dort der Rettung von Arbeitsplätzen dienen oder fließen sie an die ehemalige Eigentümerfamilie Mohr?
  • Ist es realistisch, dass in Diedenbergen in knapp drei Jahren bezugsfertige Hallen für Polar zur Verfügung stehen oder dient Polar nur als „Türöffner“ für ein riesiges Höffner-Möbelhaus? Gibt es einen Plan B, damit die Arbeitsplätze eventuell an einem anderen Standort verlagert werden können?
  • Wo bleibt eine Bürgerbeteiligung angesichts dieser „einmaligen Chance der Stadtentwicklung“?

Darüber hinaus sind hier noch eine ganze Reihe weiterer Fragen offen, z.B.:

  • Als Folge der Magistratsvorlagen würden die dringend benötigten Gewerbeflächen in Hofheim um 8 ha zurückgehen. Ist das hinnehmbar?
  • Ist der Standort Hattersheimer Straße ein geeigneter Wohnstandort oder wäre die andere Seite der Bahn, die „Römerwiesen“, besser zum Wohnen geeignet?
  • Wenn das Grundstück an der Hattersheimer Straße weiterhin Gewerbefläche bliebe und Polar sich dort auf die benötigten nur noch 2 ha verkleinern würde, dann könnten dort bis auf das Höffner-Möbelhaus und die unbekannte Spedition alle erweiterungswilligen Betriebe aus der Ansiedlungsliste des Magistrats untergebracht werden und der Acker in Diedenbergen könnte Acker bleiben. 

Wenn alle diese Ungereimtheiten und offenen Fragen nicht vor der Beschlussfassung zur Aufstellung eines neuen Bebauungsplans geklärt und diskutiert werden können und es trotz aller ungeklärten Fragen zu diesem Großprojekt am 14. März bei der Sondersitzung der Stadtverordneten eine Mehrheit für die vom Magistrat beantragten Aufstellungsbeschlüsse gibt, wird DIE LINKE prüfen, ob sie die Einrichtung eines Akteneinsichtsausschusses beantragt, der die Hintergründe dieser eiligst durchgepeitschten Beschlüsse ermitteln soll. Wenn schon – nach dem Willen des Magistrats – im Vorfeld der Entscheidungen nur vertuscht und in Hinterzimmern hinter fest verschlossenen Türen gemauschelt wird, statt in öffentlichen Gremien-Sitzungen zu diskutieren, dann soll wenigstens im Nachhinein mit einem solchen Akteneinsichtsausschuss Tranzparenz und – wenn möglich – wieder Vertrauen geschaffen werden.