Kein Kita-Platz?
Ihr Recht im Main-Taunus-Kreis
In vielen Kommunen fehlen Betreuungsplätze für Kinder. Viele Familien suchen monatelang nach einem Platz – und stehen trotz Rechtsanspruch ohne Betreuung da. Das ist kein individueller Einzelfall, sondern Ausdruck einer strukturellen Unterversorgung.
Ihr Rechtsanspruch auf Betreuung
• Ab dem 1. Geburtstag haben Kinder einen Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung (Kita) oder in Kindertagespflege (§ 24 SGB VIII).
• Ab dem 3. Geburtstag besteht der Anspruch auf einen Platz bis zum Schuleintritt (§ 24 SGB VIII).
• Der zeitliche Umfang der Betreuung richtet sich gesetzlich nach dem individuellen Bedarf der Familie. Im Main-Taunus-Kreis wird dieser Mindestanspruch in der Praxis in der Regel durch einen Platz mit bis zu etwa sechs Stunden Betreuung täglich an fünf Tagen in der Woche erfüllt.
• Eine Ausweitung der Betreuungszeit – etwa bei umfangreicher Berufstätigkeit – kann beantragt werden. Ob und in welchem Umfang dies bewilligt wird, wird im Einzelfall geprüft.
Kita oder Kindertagespflege – beides zählt
Der Rechtsanspruch richtet sich nicht auf eine bestimmte Einrichtung oder eine bestimmte Kita, sondern auf Betreuung generell. Betreuung in einer Kita und Betreuung in Kindertagespflege (Tagesmutter/Tagesvater) sind rechtlich gleichwertig.
Gerade im U3-Bereich (unter drei Jahren) sollten Eltern sich deshalb nachweisbar sowohl um einen Krippenplatz als auch um einen Platz in der Kindertagespflege bemühen. Diese Nachweise (Anmeldungen, Absagen, Wartelistenbestätigungen) sind im Streitfall wichtig.
Wer ist wofür verantwortlich?
Die Städte und Gemeinden und freie Träger (z. B. Kirchen, Vereine) betreiben die Kitas vor Ort. Sie sind für den konkreten Betrieb der Einrichtungen, Personal und Vergabe von Plätzen zuständig.
Die rechtliche Gesamtverantwortung für die Bereitstellung ausreichender Betreuungsplätze trägt jedoch der Main-Taunus-Kreis als Träger der öffentlichen Jugendhilfe (Jugendamt). Er muss sicherstellen, dass der Rechtsanspruch der Kinder auf Betreuung erfüllt werden kann.
Wenn trotz rechtzeitiger Anmeldung kein Platz zur Verfügung gestellt wird, ist der Main-Taunus-Kreis der richtige Adressat, um den Anspruch durchzusetzen.
Schritt für Schritt zu Ihrem Recht
- Kind rechtzeitig anmelden
Melden Sie Ihr Kind frühzeitig an – möglichst mindestens sechs Monate vor dem gewünschten Betreuungsbeginn – über das Kita-Portal bzw. direkt bei den Einrichtungen und bei der Kindertagespflege. Bewahren Sie Bestätigungen, Wartelisten-Einträge und Absagen auf.
- Kein Platz? Jugendamt schriftlich erinnern
Wenn Sie keinen Betreuungsplatz erhalten oder nur Angebote, die objektiv unzumutbar sind (z. B. viel zu weit entfernt oder deutlich nach dem benötigten Betreuungsbeginn), wenden Sie sich schriftlich an das Jugendamt des Main-Taunus-Kreises. Bitten Sie ausdrücklich um Zuweisung eines Betreuungsplatzes und setzen Sie eine Frist.
- Eilverfahren beim Verwaltungsgericht
Bleibt der Platz aus, kann der Anspruch vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden durchgesetzt werden. In der Praxis wird bei Kita-Platz-Verfahren fast immer ein Eilverfahren (einstweilige Anordnung) beantragt, weil der Anspruch mit dem Geburtstag des Kindes sofort gilt und zeitkritisch ist.
Viele Fachleute empfehlen, etwa sechs bis acht Wochen vor dem 1. oder 3. Geburtstag einen Eilantrag zu stellen, damit das Gericht rechtzeitig entscheiden kann. Wird erst nach dem Geburtstag geklagt, ist ein Eilverfahren in der Regel ebenfalls angezeigt, da der Anspruch bereits entstanden ist.
Ein Anwalt oder eine Anwältin kann vorab das Jugendamt nochmals anwaltlich anschreiben und den Anspruch mit Fristsetzung geltend machen. Oft führt bereits diese schriftliche Mahnung zu einer Lösung, ohne dass es zu einem Gerichtsverfahren kommen muss.
- Verdienstausfall geltend machen
Wenn ein Elternteil wegen fehlender Betreuung nicht arbeiten kann, kann ein Anspruch auf Ersatz des Verdienstausfalls bestehen. Grundlage ist die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Wird der Rechtsanspruch auf Betreuung verletzt, können Eltern unter Umständen Schadensersatz verlangen.
In der Praxis kann Verdienstausfall zunächst beim Jugendamt des Main-Taunus-Kreises geltend gemacht werden, etwa auf Basis der dort verfügbaren Formulare und Nachweise. Lehnt der Kreis ab oder reagiert nicht, kann der Anspruch vor den Zivilgerichten (zum Beispiel beim Amtsgericht Hofheim) eingeklagt werden.
Was kostet ein Verfahren?
Viele Familien schrecken vor einer Klage zurück, weil sie hohe Kosten befürchten. Tatsächlich sind die Kosten in typischen Kita-Platz-Verfahren überschaubar. Entscheidet das Gericht zugunsten des Kindes, muss in der Regel der Träger der Jugendhilfe – also der Main-Taunus-Kreis – die Gerichts- und Anwaltskosten tragen.
Rechtsschutzversicherungen, die Verwaltungsrecht abdecken, übernehmen häufig die Kosten. Ohne Versicherung kann es notwendig sein, zunächst in Vorleistung zu gehen; bei Erfolg werden die Kosten dann meist erstattet. Klären Sie die konkrete Kostenfrage unbedingt im Vorfeld mit der Anwaltskanzlei und Ihrer Versicherung.
Wichtig: Erhält Ihr Kind während eines laufenden Verfahrens vor der Entscheidung einen Platz, kann dies Auswirkungen auf die Kostentragung haben. Lassen Sie sich in solchen Fällen individuell rechtlich beraten.
Die Linke fordert:
• schnellstmöglichen Ausbau der Betreuungsplätze
• gute Arbeitsbedingungen und faire Bezahlung für Erzieherinnen und Erzieher
• Mehr Transparenz bei der Vergabe von Kita- und Tagespflegeplätzen
• Aktive Unterstützung und Beratung für Familien, die ihr Recht durchsetzen wollen
Gemeinsam Druck machen!
Familien brauchen verlässliche Betreuung statt Wartelisten und Vertröstungen.
Wir unterstützen Sie dabei, Ihren Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz geltend zu machen.