Auf die Straße für einen solidarischen Umgang mit der Pandemie!

Am Sonntag um 14 Uhr wird beginnend am Bahnhof Kelkheim Mitte ein Zeichen für eine solidarische Pandemiebewältigung und gegen Verschwörungsideologien gesetzt. Der Kreisvorstand bittet alle Mitglieder, Sympathisantinnen und Sympathisanten sich an dieser Initiative der Antifaschistischen Bildungsinitiative Main-Taunus aktiv zu beteiligen. Auch im Main-Taunus-Kreis versuchen AfD und extreme Rechte die sog. Spaziergänge zu vereinnahmen. Extrem rechte Inhalte werden in Chatgruppen und diesen verkappten Demonstrationen geteilt. Von den Organisatorinnen und Organisatoren und auch den Teilnehmenden der Spaziergänge erfolgt keine Distanzierung. Dies darf nicht länger unwidersprochen bleiben.

Ladet liebe Mitmenschen und Bekannte ein. Lasst uns für einen solidarischen Umgang mit der Krise werben.

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Für DIE LINKE. Main-Taunus sprach unser stellvertretender Kreisvorsitzender, Sebastian Orth. Wir dokumentieren seine Rede hier in Auszügen:

„Ich bin Rettungssanitäter in Ausbildung und möchte mit einer kleinen Erzählung in meinen Redebeitrag einsteigen:

November 2021. Nachtschicht in der Klinik. Prime-Time der vierten Corona-Welle. „In 3 Minuten kommt noch einer. Ist noch nicht intubiert.“ Sagt mein Kollege. Ich drücke meine Kippe aus und setz mir meine Maske wieder auf.

Wir bereiten den Schockraum vor. Legen Laryngoskop und Tuben bereit. Ziehen die Medikamente auf. Ich stehe am Kopf des Bettes und soll mit dem Beatmungsbeutel überbrücken, bis das Beatmungsgerät Baujahr 1976 den Patienten übernehmen kann. Es ist das letzte, das auf unserer Notaufnahme noch funktioniert. Alle anderen sind auf der Intensivstation an Patienten angeschlossen oder mittlerweile nach längerem Dauerbetrieb vollständig ausgefallen. Ich trage einen Schutzkittel, eine OP-Maske, darüber eine FFP3-Maske mit Ventil. Dazu drei Paar Handschuhe übereinander und eine Haube. Vor meinem Gesicht hängt ein Face Shield, darunter trage ich auch noch eine Schutzbrille. Meine zweite Impfung ist erst ein paar Wochen her. Was wenn ich mich bei dem Patienten gleich anstecken sollte? Vielleicht liegt bei mir auch ein bisher unentdeckter Risikofaktor vor. Raucher bin ich ja schon. Auf jedenfall möchte ich nicht so enden, wie die Patient*Innen die auf der Intensivstation lagen, auf der ich in der vorherigen Woche eingesetzt war. Mit höchstens 2 Intensivpflegern pro Schicht bei 9/10 belegten Betten, ein Bett bleibt frei, falls eine Reanimation im Haus anfällt, habe ich den Fachkräftemangel und die pandemische Lage an vorderster Front erlebt. 8/10 der Patienten wurden dort invasiv beatmet, zwei sogar mit Tracheotomie, also Luftröhrenschnitt. Eine Patientin aus meiner Generation lag schon 36 Tage an der Herz-Lungen-Maschine. Ohne Aussicht auf Besserung und das trotz doppelter Impfung. Von den 12 Stationen des Krankenhauses waren 8 mit Coronapatienten belegt. 8 Ganze Stationen. Über 1000 Patient*innen.

„Noch zwei Minuten. Wo ist der Arzt?“ unterbricht eine Schwester die Anspannung. „Wir haben keine, sind im OP. Aus der Station 8 kommt ein Assistenzarzt, der intubiert schnell.“ Antwortet ein Pfleger. „Und die Anästhesie?“ fragt Sie. „Musst du heute machen.“ Antwortet der Pfleger. Ich bin angespannt. Das ist der erste COVID-Patient, den ich sehen werde, der noch im wachen Zustand ist. Wie immer in solchen Zeiten mangelt es jetzt schon an allem, obwohl der Patient noch nicht mal da ist. Der junge Assistenzarzt kommt fast zeitgleich mit dem Rettungswagen an. Sichtlich gestresst. Die Schutzkleidung wird Ihm von zwei Pflegern noch angelegt, während der Rettungsdienst den Patienten schon in den Schockraum schiebt. Riskant. Finde ich.

„Männlich, 35; seit 1 Woche Positiv, die Ehefrau auch. Initial 60%, mit Maske haben wir Ihn auf 85% hochgepumpt bekommen, Normoton…“ rattert der Notfallsanitäter seine Übergabe ab, bevor er auf dem Absatz umkehrt mit den Worten „Viel spaß noch, das war bestimmt nicht der erste heute Nacht.“ Und wieder verschwindet. Auch der Sanitäter scheint gestresst. Dabei hat er seinen Patienten noch lebendig auf meiner Schockraumtrage abgeladen. 60% Sauerstoffsättigung. Wow, das ist verdammt niedrig. Alles unter 95% ist laut meinem Lehrbuch schon ein Notfall der höchsten Kategorie.

Vor mir liegt ein athletisch gebauter, fitter Mann. Mit Todesangst in den Augen schnappt er nach Luft und starrt mich dabei mit seinem furchterfüllten Blick an. Er hat offenbar Schmerzen und aufjedenfall Panik. Hektisch versucht eine Schwester die Spritzen am Zugang des Patienten zu befestigen. Ich setze Ihm den Beatmungsbeutel auf und erkläre was man gleich mit ihm machen wird, während die anderen im Raum die Narkose schon einleiten. Es ist zeitkritisch, die Atemwege des Patienten müssen gesichert werden. Ich gebe Ihm reinen Sauerstoff auf die Maske. Ich Schaffs fast bis an die 90%spO2. Der Patient kriegt Fentanyl, ein ziemlich starkes Schmerzmittel sowie Muskelrelaxantien und schließlich ein Hypnotikum – Propofol, das Zeug das Michael Jackson umgebracht hat. Ich gebe Ihm extra Sauerstoff auf die Maske, dann macht er die Augen endlich zu und hört auf eigenständig zu atmen. „Na den haben wir aber abgeschossen.“ Der Assistenzarzt neben mir hat seinen 8er ETI und ein Videolaryngoskop in der Hand. „Ihr erstes Mal im Schockraum, Doktor A.?“ fragt Ihn der Pfleger, während er mich vom Kopf des Patienten wegschubst. Jetzt ist der Doc dran. Beim dritten Versuch steckt der Tubus endlich in der Luftröhre. Fast 4 Minuten sind vergangen in denen wir den Patienten nicht beatmen konnten. Die Sättigung ist mittlerweile auf 30% gefallen. Das war mehr als nur lebensgefährlich. Aber wenn wir es nicht hier und jetzt versucht hätten, gäbe es keine Hoffnung mehr für den Patienten. Seine Lunge ist bereits von Covid zerfressen worden. Knappe Sache, aber wir haben es noch geschafft. „Sitzt der Tubus?“ Der Arzt hat sein Stethoskop vergessen, also höre ich mit meinem eigenen auf der Brust des Patienten ab, ob der Tubus richtig liegt. Auf beiden Seiten höre ich einen leichten Luftzug. Der Mann war Rennradfahrer. Die haben für gewöhnlich kräftige, trainierte Lungen. Der Mann hörte sich eher wie ein Kettenraucher an, obwohl er keiner war. „Passt, wackelt und hat Luft.“ Gebe ich von mir. Wir packen den Patienten wieder ein und schieben Ihn zu den anderen auf die letzte freie Coronastation in Frankfurt. Wieder in der Notaufnahme angekommen, stehen schon die nächsten zwei Anfahrten auf dem Bildschirm.

Es war ein alltägliches Ereignis, besonders mitten in der Welle, dennoch bleiben mir diese Minuten bis heute in Erinnerung. Er war mein erster Covid-Patient, dem es so richtig beschissen ging. Seitdem gab es noch mehr, welche denen es sogar noch schlechter ging und welche, bei denen es etwas besser lief. Zumindest noch. Geimpfte, ungeimpfte, geringgeimpfte, solche die noch leugnen das es das Virus überhaupt gibt und solche die mich unter Atemnot anbetteln doch bitte irgendwas zu tun, Ihnen irgendwas in die Venen zu jagen, etwas machen damit es aufhört.

Leider ist Corona ein Virus und kein Bakterium oder Pilz. Die kann man mit Antibiotika töten. Doch ein Virus kann man nicht direkt medikamentös behandeln. Man kann es nicht mal richtig töten, denn es hat im Gegensatz zu einem Bakterium ja nie wirklich gelebt. Die einzige Möglichkeit, die unsere moderne Schulmedizin gegen Viren darbietet, ist sich vor einer evtl. Infektion zu impfen und darauf zu hoffen, dass das Immunsystem in Schuss ist, sobald unser geliebtes Corona in der Nase kitzelt.

Ich habe in den letzten Monaten mehrere Querdenken-Proteste beobachtet. Von großen in Frankfurt auf denen Reichskriegsflaggen geschwenkt und Judensterne mit der Aufschrift „Ungeimpfter“ getragen wurden, bis zu kleineren, wie der in Kelkheim vor einigen Tagen, die eher peinlich als „widerständlich“ waren.

Abbelwein besteht zu 90% aus Wasser. Trotzdem sage mer zum gerippten Schobbe unn ned Wasser. Wenn auf einer Demo Nazis mitmarschieren… pardon: mitspazieren, auf Bühnen reden, bejubelt werden und Schwarz-Weiß-Rot schwenken, dann ist das keine Demo mehr, sondern ein Naziaufmarsch. Egal ob da 90% Nazis oder nur einer dabei sind. Aber eines kann ich euch versprechen: Wenn sich in Kelkheim solche Leute versammeln, dann sind wir hier und stellen uns euch in den Weg und machen klar, in Kelkheim wird es keine friedliche Minute für euch geben, keinen Zentimeter unserer Straßen werdet Ihr widerstandlos mit eurem Dummgeschwätz besudeln können. Hier wird nie wieder ein Faschistenarsch das Sagen haben. Nicht mal, um seine dummen, unsolidarischen und hetzerischen Verschwörungstheorien zu verzapfen. Unsere Solidarität und unser Zusammenhalt sind unsere Waffe. Wir sind nicht nur mehr, nein: unsere Lebenserwartung ist auch noch höher, denn wir tragen unsere Schutzmasken, halten unsere Abstände und schützen so die Schwachen und Hilfsbedürftigen in unserer Gesellschaft.

In diesem Sinne, bleibt gesund und munter. Zum Abschluss noch ein Wort zum Sonntag: „Schlimmer als blind sein, ist nicht sehen wollen“ – Wladimir Iljitsch Lenin“